Nach der vergangenen Horrorsaison, in der die Ostseestädter gegen den Abstieg spielten und das Landespokalfinale verloren, lautet die Zielsetzung: Mit neuem Team und frischen Kräften die Fans wieder für die Kogge begeistern.
Ein schauriger Blick zurück
So eine Saison will in Rostock wohl niemand noch einmal erleben: Nachdem im letzten Sommer nach dem erneuten Abstieg aus der zweiten Fußball-Bundesliga eine Insolvenz des Clubs nur im letzten Moment durch die Hilfe der Hansestadt Rostock und des Landes Mecklenburg-Vorpommern verhindert werden konnte, missglückte auch der sportliche Start in die Drittligasaison: Bereits nach wenigen Spielen musste Abstiegstrainer Wolfgang Wolf gehen– er wurde durch den ehemaligen Münsteraner Trainer Marc Fascher ersetzt. Dazu kamen Querelen zwischen Aufsichtsrat und Vorstand, zudem standen die Fans seit der Schließung der Südtribühne mit dem damaligen Clubchef Bernd Hofmann auf Kriegsfuß. Während es in der Anfangsphase unter Neutrainer Fascher zumindest sportlich etwas besser lief, spitzte sich der Konflikt auf Vereinsebene auf der Mitgliederversammlung zu: Ein neuer Aufsichtsrat unter der Führung von Thomas Abrokat wurde gewählt. Dessen Hauptaufgabe war zunächst die Neubesetzung des Vorstandes. Aufgrund dessen kündigten Vorstandsboss Hofmann gemeinsam mit Sigrid Keler, im damaligen Vorstand verantwortlich für die Finanzen, zum Jahresende ihren Rücktritt an.
Als erstes wurde die Verpflichtung von Uwe Vester als neuem Sportvorstand bekannt gegeben, diese Position war seit dem Abtritt von Stefan „Paule“ Beinlich im Sommer unbesetzt gewesen und kommissarisch durch Juri Schlünz, Leiter der Jugendabteilung, ausgefüllt worden. Vester kam aus der Jugendabteilung des FC Schalke 04 an die Ostsee und gab die Neuausrichtung des Klubs zum „jungen Ausblidungsverein“ als Ziel aus. Als neuer Vorstandschef wurde Michael Dahlmann vorgestellt, dessen Hauptaufgabe die finanzielle Konsolidierung des hochverschuldeten Vereins werden sollte. Während auf Vereinsebene die Weichen für die Zukunft gestellt wurden, lief es sportlich in der zweiten Halbserie der Saison überhaupt nicht mehr, am Ende befand man sich sogar in ernster Abstiegsgefahr und konnte den Klassenerhalt erst am vorletzten Spieltag sichern. Unrühmlicher Höhepunkt war dann die 0:3-Niederlage im Landespokalfinale gegen die TSG Neustrelitz inklusive Platzsturm der völlig aufgebrachten Fans des Rostocker.
Mit neuem Team und neuer Mannschaft in die Saison
In diesem Sommer folgte dann der große Umbruch. Trainer Fascher musste gehen, ebenso wie all seine Co-Trainer. Ebenso wurde ein Großteil der Mannschaft ausgetauscht, viele Spieler bekamen keine neuen Verträge, darunter auch Publikumslieblinge wie Matthias Holst. Andere wechselten von sich aus den Verein, wie die Rostocker Talente Edisson Jordanov (zur zweiten Mannschaft des BVB), Tom Weilandt (zu Greuther Fürth) und Keeper Kevin Müller (zum VfB Stuttgart). Also mal wieder alles auf Anfang. Als neuer Trainer wurde der ehemalige Bochumer Coach Andreas Bergmann vorgestellt, dessen Spezialität unter anderem die Förderung und Integration junger Talente ist– eine Fähigkeit, die in Rostock angesichts der hervorragenden Jugendarbeit und klammer Kassen sehr gefragt ist. Ein echter Coup gelang den Hansa-Verantwortlichen mit der Verpflichtung von Torwarttrainer Andreas Reinke, der gleichzeitig als Co-Trainer von Chef Bergmann agieren wird. Der Mecklenburger wurde zweimal deutscher Meister und Pokalsieger, jeweils mit dem 1. FC Kaiserslautern und mit dem SV Werder Bremen.
Auch die Mannschaft wurde runderneuert. Neben den aus der erfolgreichen A-Jugend (deutscher Vizemeister 2013) aufrückenden Robin Krauße und Fabian Künnemann wurden weitere junge Talente wie Shervin Radjabali-Fardi von Hertha BSC, Sascha Schünemann von Hannover 96 und Julian Jakobs von den Sportfreunden Siegen verpflichtet. Dazu kommen erfahrene Spieler wie der 35-jährige Milorad Pekovic (von Erstligaabsteiger Greuther Fürth) oder Halil Savran von Erzgebirge Aue, die der Mannschaft die nötige Stabilität und Erfahrung geben sollen. Alle Transfers der Rostocker gibt es bei uns übersichtlich im Transferticker aufgelistet. All diese neuen Spieler ergänzen das aus den vorherigen Saison gebliebene Rumpfteam um Mannschaftskapitän Sebastian Pelzer.
Trainer Bergmann möchte von seiner Mannschaft begeisternden Fussball zeigen lassen, wobei zumindest eine Steigerung im Vergleich zum Ende der letzten Saison, als der Rostocker Mannschaft auf die Spielfeld gar nichts mehr gelang, leicht möglich sein sollte. Im Benefizspiel gegen den Rekordmeister und Triple-Sieger FC Bayern München waren schon gute Ansätze der neuen Spielkultur der Rostocker zu sehen. Gutes Mittelfeldpressing sowie flache, schnelle Kurzpassstafetten gehören augenscheinlich zum Matchplan und sollten für ein schöneres Spiel in der heimischen DKB Arena sorgen.
Wohin geht die Reise in der kommenden Saison?
Auf Fragen nach einer internen Zielsetzung für die kommende Saison weichen Trainer und Mannschaft bisher beharrlich aus, nur bei einer Sache sind sich alle einig: Gegen den Abstieg soll es dieses Mal nicht gehen. Trainer Bergmann wünscht sich vor allem gute Leistungen seiner Truppe, unabhängig von den erzielten Ergebnissen– wobei diese sich ja auch gegenseitig beeinflussen. Um den Aufstieg werden die Rostocker, trotz aller Euphorie, wohl nicht mitspielen. Zu stark ist die Konkurrenz durch die Ligakonkurrenten Preußen Münster, 1. FC Heidenheim oder auch den Chemnitzer FC. All diese Teams konnten sich bereits in der letzten Saison am oberen Tabellenende behaupten und haben sich in der Sommerpause mit weiteren Spielern verstärkt. Zudem muss man auch der Millionentruppe des Red Bull-gesponsorten „RasenBallsport“ Leipzig einen direkten Durchmarsch bzw. ein Mitspielen um die Aufstiegsplätze zutrauen. Die Rostocker Fans wären nach den Rückschlägen in den letzten Saisons wohl mit ansprechendem Fussball und einer gut harmonierenden und kämpfenden Mannschaft zufrieden. Schafft man es, eine fussballerische Basis aufzubauen, die über die Saison hinaus verfeinert und verbessert werden kann, kann in Rostock mittelfristig möglicherweise auch wieder das Wort „Aufstieg“ in den Mund genommen werden.
Zunächst steht für die Hansa-Kogge am Samstag das Heimspiel gegen Aufsteiger Holstein Kiel an, das Rostocker Journal berichtet live aus dem Stadion. Der Verein erwartet für das erste Heimspiel der Saison 12.000 bis 15.000 Zuschauer– deutlich mehr als der Zuschauerschnitt der letzten Saison und Zeichen neuer Zuversicht unter den Anhängern des Klubs. Anschließend geht es im ersten Auswärtsspiel der Saison ebenfalls gegen einen Aufsteiger: den SV Elversberg. Sollten beide Partien positiv absolviert werden dürfte auch der Zuspruch der Fans steigen, was für den finanziell gebeutelten Verein wichtige Zuschauereinnahmen garantieren würde. Schlechten Fussball zu zeigen ist daher keine Option.