Landtagswahl 2011: Das ROSTOCKER JOURNAL stellt 11 identische Fragen an (Rostocker) Kandidaten aller Parteien mit Direktkandidaten, für alle transparent. Teil 5: Johannes Saalfeld (Grüne)
1. Wenn Sie Mecklenburg-Vorpommern in drei Adjektiven beschreiben sollen – welche sind das?
Natürlich – einzigartig – grün
2. Mecklenburg-Vorpommern war lange für seine Werften bekannt. Die Industrie ist nun mehr oder weniger zusammengebrochen. Wo sehen Sie die wirtschaftliche Zukunft im Land?
Forschung und Entwicklung wurden zu lange vernachlässigt, so dass der Technologievorsprung und damit der Wettbewerbsvorteil im Schiffbau verloren ging. Die Zukunft liegt für Mecklenburg-Vorpommern in den erneuerbaren Energien. Wir sind hier oben mit Wind- und Sonnenenergie gesegnet. Hinzu kommen Biomasse und Geothermie. Jetzt heißt es, diese Potenziale richtig zu nutzen. Bis 2020 können in unserem Land 20.000 neue Arbeitsplätze im Bereich der erneuerbaren Energien entstehen. Dazu müssen aber die richtigen Weichen gestellt werden – insbesondere für Forschung und Entwicklung in MV.
3. Was sagen Sie den vielen arbeitslosen Menschen im Land? Und was den jungen Mecklenburgern und Vorpommern?
Mecklenburg-Vorpommern bekommt mit dem Atomausstieg eine unerwartete Chance. Die Produktionsstandorte für Energie wandern mittelfristig aus dem Süden Deutschlands in den Norden. Wenn wir diese Chance richtig nutzen, können wir Arbeitsplätze von der Servicekraft bis zum Ingenieur vor Ort schaffen. Den jungen Menschen sage ich, dass wir uns in Zukunft um eine bessere Bildung sorgen werden. 14 Prozent der Schulabgänger bekommen heute keinen Abschluss, jeder dritte Schüler bleibt mindestens einmal sitzen. Die drohende soziale Verschuldung der kommenden Generation müssen wir abwenden.
4. Wie begegnen wir am besten dem demografischen Wandel?
Dafür gibt es leider keinen Königsweg. Deswegen möchten wir Grünen endlich eine Enquetekommission im Landtag zum Demographischen Wandel und dessen Auswirkungen einrichten. Unabhängig davon stehen gerade junge Menschen Schlange vor unserem Bundesland. Bis 2016 gibt es in Deutschland doppelte Abiturjahrgänge, bis 2020 erwartet die Kultusministerkonferenz überdurchschnittliche Studienanfängerzahlen. Diese jungen Menschen sollten wir nicht länger abweisen, den Hochschulrückbau um 20 Prozent der Personalstellen bis 2017 müssen wir stoppen. Im nächsten Schritt müssen wir die gut ausgebildeten Absolventen im Land halten.
5. Was sind Ihre drei Ziele, die Sie nach einem Wahlsieg unbedingt durchsetzen wollen?
Ich würde gerne den Hochschulrückbau stoppen, die Einlagerung weiteren hochradioaktiven Atommülls in Lubmin verhindern, zum Beispiel durch Überprüfung der Betriebsgenehmigung, und ich möchte das Eckpunktepapier zur Theaterstruktur in MV zurückziehen lassen infolgedessen es zu unsinnigen Theaterfusionen kam.
6. Wie wollen Sie erreichen, dass Ihre Ziele nicht Kompromissen bei Koalitions-Verhandlungen zum Opfer fallen?
Natürlich mit einer guten Verhandlungsstrategie. Aber letztendlich könnte das politische Programm einer Partei nur dann zu 100 Prozent umgesetzt werden, wenn die entsprechende Partei die absolute Mehrheit im Parlament erringt. Kompromisse sind im Übrigen nicht aus Prinzip schlecht.
7. Mit welcher Partei würden Sie Ihre »Traum-Koalition« bilden?
Der Wunsch-Koalitionspartner wäre ganz klar die SPD. Die letzte Umfrage von Infratest dimap vom 25. August sah sogar eine rot-grüne Mehrheit in MV voraus. Rot-grün ist also möglich.
8. Wie stehen Sie zu Kultur im Land? Sollten wir bei den Theatern angesichts der katastrophalen Haushaltslage(n) und mieser Zuschauerzahlen dort einen Gang zurückschalten?
Wenn wir gut ausgebildete Menschen im Land halten wollen, dürfen wir an der Kultur nicht sparen. Hochwertige Kulturangebote und insbesondere Theater heben die Lebensqualität vor Ort.
9. Kann Mecklenburg-Vorpommern zum Wissenschaftsland werden und wenn ja, wie, was werden Sie dafür tun?
Mecklenburg-Vorpommern muss dringend in Forschung und Entwicklung investieren, andernfalls werden die örtlichen Unternehmen immer wieder mit ihren Produkten hinter die Konkurrenz zurückfallen. Dabei müssen sowohl das Land als auch die Wirtschaft größere Anstrengungen unternehmen. Völlig falsch ist der Hochschulrückbau bis 2017. Hier könnten wir anfangen, eine falsche Entwicklung im Land umzukehren.
10. Werden Sie die Interessen des Standortes Rostock im Landtag vertreten und gewissermaßen Lobbyarbeit betreiben? Wenn ja, wie?
Den Grünen liegt die Entwicklung des gesamten Landes am Herzen. Jede Region braucht ihr spezielles Programm. Als Rostocker würde ich auf jeden Fall darauf hinwirken, dass das Land nicht weiter die Veräußerung kommunalen Eigentums von Rostock fordert. Insbesondere die kommunale Unternehmen der Daseinsvorsorge erwirtschaften wichtige Einnahmen der Stadt. Die Stadtwerke spielen eine wichtige Rolle bei der lokalen Energiewende.
11. Letzte Frage: Warum sollten wir wählen gehen?
Es gibt zwei Gründe, warum jeder und jede zur Wahl gehen sollte: Erstens muss der Einzug der NPD durch eine hohe Wahlbeteiligung verhindert werden. Wer nicht wählen geht, hilft den Extremisten beim Sprung über die 5-Prozent-Hürde. Zweitens geht es um die existenzielle Gefahr des fortschreitenden Klimawandels. In Rostock haben wir in diesem Jahr viel erlebt: Enorme Schneemassen, extreme Trockenheit und Sandstürme sowie sintflutartige Regenfälle. Wir müssen in Zukunft eine Politik betreiben, die nächste Generationen nicht weiter ökologisch und sozial verschulden.
• Dossier zur Landtagswahl