Wer die Straßenbahn an der Haltestelle Massmannstraße verlässt, den erwartet ein, auf einer Art Verkehrsinsel untergebrachtes, merkwürdige pavillionartiges Häuschen, ein asiatischer Imbiss und eine wenig einladende Kneipe. Ein Mahnmal mit den starken Worten: ›Arbeit – Leben – Zukunft: Was habt ihr dafür getan?‹, beansprucht Aufmerksamkeit, ohne dass unmittelbar ersichtlich würde, was gemeint ist.
Von Johanna Lauber und Georg Hoppe
Auf der anderen Seite der Werftstraße, der Name ist ein deutlicher Hinweis, was sich an diesem Ort einst befand, liegen die ehemaligen Werfthallen. Ein ausgebranntes, verfallendes Gebäude sticht ins Auge: Es handelt sich um das ehemalige Clubhaus der Neptunwerft, eine Art Kulturzentrum. Es soll noch dieses Jahr abgerissen werden. Durchquert man die erste, zum Parkhaus umfunktionierte Halle und richtet den Blick zur Decke, kann man die Krananlagen bewundern, welche einst im Schiffbauprozess verwendet wurden und nun zu reiner Dekoration verdammt sind. Der Rest der denkmalgeschützten Halle beherbergt heute ein Einkaufszentrum. Diskret über einigen Regalen des Edekamarktes angebracht sind Schwarz-Weiß-Aufnahmen des ehemaligen Werftlebens zu entdecken: riesige Räume, Schiffsrümpfe und Funkenlodern von Schweißarbeiten lassen erahnen, was sich hier abspielte bevor das Supermarktradio die neuesten Gemüseangebote pries.
Am Beispiel des Werftdreiecks lässt sich beobachten, wie sich historische Orte verändern und unter welchen Bedingungen dies geschieht: das merkwürdige Häuschen, das heute die Kneipe beherbergt, war einst das Werfttor, der Eingang zu einem riesigen Betrieb mit zehntausenden Arbeitern und die Werfthallen, mächtige Fertigungshäuser, sind zu einem kleinen Teil mit Ladenfläche ausgefüllt. Das Mahnmal weist anklagend auf den verlorenen Arbeitskampf tausender Beschäftigter hin, die nach der Wende das letzte Mal das Werkstor passierten und man könnte die Transformation des Geländes gleichsam als beispielhaft und bitter bezeichnen.
Der Schiffbau ist fast aus dem Stadtbild verschwunden. Dennoch spielt er für die Atmosphäre der Stadt und ihr Selbstverständnis nach wie vor eine bedeutende, identitätsstiftende Rolle.
Angesichts der aktuellen Ereignisse um die Entlassungen von Arbeitern, die unklare Auftragslage der russischen Investoren, lohnt sich darum eine Auseinandersetzung mit der Geschichte der Werft, welche einschlägige gesellschaftliche Prozesse zutage treten lässt.