Der Kultbegriff, das ist das zentrale Moment in der Attraktion von David Hasselhoff. Mit Knight Rider die erfolgreichste Serie der 80er Jahre. Mit Baywatch die erfolgreichste Serie überhaupt. Und mit Looking for Freedom ein Soundtrack der deutschen Wiedervereinigung. Abgesehen von ein paar Songs ist da nicht mehr. »Nicht mehr«, das ist sicherlich ein übertriebener Anspruch. Hasselhoff wird durch diese Erfolge zur Projektionsfläche eines natürlichen Kultbedürfnisses. Die Fotografie seines jüngeren ›Ichs‹, das Superauto K.I.T.T., die Rettungsboje, das sind die Ikonen dieser Kultpflege. Sein Name wird zu ›The Hoff‹ überindividualisiert. All das reicht, dass er in dem popkulturellen Gedächtnis der Generationen eingeschrieben ist, welche die 80er und 90er Jahre bewusst erlebten. Wenn diese Aneignung erst einmal stattgefunden hat, ist es nur schwer möglich, dass diese wieder dekonstruiert wird. Alles was dann getan werden muss, ist, diese Elemente zu bedienen.
In der Show in der Stadthalle wurde genau das gemacht. K.I.T.T. — sehr wahrscheinlich eine Replika des Trans Am — stand im Vorraum, abgesperrt, bewacht; auf der Bühne wurde Babewatch aufgeführt; Hasselhoff inszenierte sich als das Zitat einer Sexikone. Und genau das war so schwierig zu greifen: Dass über die Monitore zu Songs die Musikvideos einer vergangenen Zeit liefen und daneben der wirkliche Mensch mit den Einsätzen rang. Das ist nicht böse gemeint. Der Mann wird nächstes Jahr 60, er ist Alkoholiker. Für jemanden, dessen Leben so gut wie vorüber ist (auch wenn die Hoff zuletzt stirbt), hat er äußerst professionell das getan, was man von ihm erwarten kann. Zum Anfang trug er sogar brav sein Terminator-Bewerbungskostüm — Stiefel bis zu den Knien und einen amerikanischen Adler aus silbernen Nieten auf dem Rücken der Lederjacke.
Allein was befremdlich war, war die Erkenntnis, dass seine Musik eigentlich ganz billiger Schlager ist. Und das immer mehr. Die Songs von seinem neuen Album, die er auch spielte, haben nichts von dem — nennen wir es zumindest Charme — der vergangenen zu tun. Das ist ohne Unterschiede das Niveau des Musikantenstadl, auch wenn er vorgibt, es sei Rock’n’Roll. Aber war das denn wirklich einmal anders? Looking for Freedom war nur aus Versehen ein Lied der friedlichen Revolution. Eigentlich sollte es die »Lebensbeichte eines verwöhnten jungen Mannes sein, der die Warnung seines Vaters ignoriert und sein Zuhause verlässt.« Es spielt nicht einmal in der gleichen Liga von Songs wie Wind of Change. 1978 war dieser schon einmal in den deutschen Charts — freilich von einem anderen Interpreten. Und die Version von Hasselhoff war auch nicht die letzte, die wir zu hören bekamen. Der gleiche Produzent machte für Tony Marshall eine deutsche Version mit dem Titel ›Auf der Straße nach Süden‹. Man möchte das nicht gern hören, aber das ist Liedgut für Menschen, die gern im Stechschritt klatschen.
Auf einem Konzert von ›The Hoff‹ hat man glücklicherweise genügend Distanz zu sich selbst. Zwar wurden erst einmal Stuhlreihen aufgebaut (warum?), aber diese wurden gleich mit Beginn des Konzertes überrannt. Die 1.500 standen auf den Stühlen, tanzten, klatschten, feierten, machten Handyvideos. Auf den mitgebrachten Plakaten standen Sätze wie: ›We live the limbo spirit‹ und ›alcohol is not a crime‹. Man hatte rote Rettungsbojen mitgebracht. Viele davon signiert. Man ist für diesen Moment ›verkleidet‹. Und das ist doch großartig: Man geht auf eine David-Hasselhoff-Party und David Hasselhoff ist zufällig auch da — *kreisch*.
Martin Graupner
• Download: »Looking for Freedom« (MP3, 0,99 Euro)