Diplom für alle

Im Herbst 2009 schwappte eine Protestwelle durch die Bundesrepublik, welche letztlich auch Mecklenburg-Vorpommern und Rostock erreichte. Viele Schüler und Studenten gingen auf die Straße und protestierten für bessere Bildung. Eine der direkten Folgen ist das neue Landeshochschulgesetz, das seit diesem Jahr in Kraft getreten ist.

Viele der Änderungen im neuen Landeshochschulgesetz (LHG), das am 15. Dezember 2010 vom Landtag in Schwerin beschlossen wurde, sind vor allem durch die Bildungsproteste der vergangenen Semester angeregt worden. Durch Demonstrationen, Audimaxbesetzungen und verschiedene andere Aktionen wurde durch Schüler und Studenten Druck auf die Landesregierung ausgeübt. Aber auch durch direkte Gespräche mit Politikern wirkten die protestierenden Studenten auf die Gesetzgebung ein. So erklärt Kultusminister Henry Tesch (CDU) im Landtag: »Die Studenten haben durch ihre Proteste und in konstruktiven Gesprächen mit uns viele Ideen und Vorschläge eingebracht.«

»Das modernste Hochschulgesetz in Deutschland«

Die Regierung feiert das neue Gesetz als »das modernste Hochschulgesetz in Deutschland«, so André Specht von der CDU-Landtagsfraktion und auch die Studenten zeigen sich mit den Änderungen in großen Teilen zufrieden. So erklärte der Präsident des Greifswalder Studentenparlaments (StuPa) Erik von Malottki gegenüber dem Webmoritz: »Das LHG bringt für die Studenten wesentliche Verbesserungen, vor allem beim Bologna-Prozess.« Und auch der Rektor der Universität Rostock Professor Wolfgang Schareck reiht sich ein: »Die Novellierung des LHG verbessert den Bologna-Prozess.«

Was bedeuten diese alles in allem positiv bewerteten Änderungen nun aber konkret für die Studenten? Eine der wohl bedeutendsten Änderungen ist der Wegfall der Master-Hürde. Konkret bedeutet dies, dass die Zulassung zum Masterstudiengang nicht mehr allein von der Bachelor-Note abhängen darf. Die Forderung der Rostocker Studenten, dass jedem Bachelorabsolventen der Zugang zum Master ermöglicht werden soll, ist damit in der Praxis wohl ein ganzes Stück näher gerückt.

Wiedereinführung des Diploms

Eine weitere Änderung, die auch in der bundesweiten Presse für Aufsehen sorgte, ist die Möglichkeit, dass man statt einem Master-Abschluss, auch ein Diplom erhalten kann, wenn man dies beantragt. Zwar ändert dies am Studium nichts als den Namen des Abschlusses, den man am Ende erhält, aber Kultusminister Henry Tesch (CDU) hält diese Reglung trotz dessen gerade für Ingenieurwissenschaften interessant, denn »dort ist das Diplom eine wichtige Marke.«

Kritisch gesehen wird vor allem an den Unis allerdings, dass auch an den Fachhochschulen in unserem Land für Bachelor-Studenten ein Diplom vergeben werden kann. Der AStA-Vorsitzende der Uni Rostock Christian Berntsen erklärt: »Die Regelung widerspricht allen Bestrebungen der Vergleichbarkeit, die im Rahmen des Bolognaprozesses angestoßen wurden. Ein achtsemestriges Bachelor Studium an einer Fachhochschule ist in keiner Weise mit einem zehnsemestrigen BA/MA-Studium an einer Universität zu vergleichen.«

Studenten werden entlastet

Auch das Studieren an sich soll durch das neue LHG verbessert werden. So ermöglicht es beispielsweise, dass nicht mehr alle Prüfungsnoten in die Endnote einfließen müssen und Leistungen mit »bestanden« oder »nicht bestanden« bewertet werden können, so wie es im Staatsexamen beispielsweise schon vorher möglich war.

Dies sollte den Universitäten ermöglichen die hohe Prüfungslast, die auch während der Bildungsproteste von den Studenten kritisiert wurde, ein wenig zu mildern. Auch die Möglichkeit eines Teilzeitstudiums ist nun gesetzlich fest verankert. Dies bedeutet, dass es die Möglichkeit gibt mit dem halben Pensum zu studieren, was natürlich doppelt so lange dauert, aber dafür ermöglicht, neben dem Studium zum Beispiel zu arbeiten oder sich um seine Kinder zu kümmern.

Auch Auslandssemester werden durch den neuen Gesetzestext enorm erleichtert, denn man muss dieses nun nicht mehr auf seine Regelstudienzeit anrechnen und außerdem haben die Hochschulen im Ausland erbrachte Leistungen anzuerkennen.

Auch Schattenseiten beim neuen LHG

Doch das neue LHG hat aus der Sicht von Studenten und der Opposition im Landtag auch seine Schattenseiten. So erklärt von Malottki: »Es gibt natürlich auch noch andere negative Punkte am LHG. Die Position des Rektors wird entscheidend gestärkt. Dies ist kritisch zu betrachten, weil wir uns als Studentenschaft für eine demokratische Hochschule stark machen.«

Dem schließt sich auch Dr. Wolfgang Methling (Linke) in einer Landtagsrede an: »Für bedenklich halte ich auch die vorgesehenen Eingriffsrechte des Hochschulleiters in Leitungsbereiche anderer Kollegen und in die studentische Selbstverwaltung. Ob Autonomie und Demokratie dabei wirklich gewinnen, ist aus meiner Sicht höchst fraglich.«

Insgesamt ist das neue Landeshochschulgesetz für die Studenten wohl durchaus positiv zu bewerten, denn in vielen Dingen wurde die Position der Studenten an der Universität, zumindest auf dem Papier, gestärkt.

Hintergründe
Der Bologna-Prozess verfolgt die Idee eines einheitlichen Hochschulraums für Europa im weitesten Sinne, mit international einheitlichen Abschlüssen. Mobilität, internationale Wettbewerbsfähigkeit und Beschäftigungsfähigkeit sind die drei Hauptziele. Für eine bessere Vergleichbarkeit der Hochschulabschlüsse wurde darum die Einführung eines konsekutiven, zweistufigen Abschlussystems beschlossen. Die akademischen Titel hierfür sind ›Bachelor‹ und ›Master‹. Auch Titel wie ›Dipl. Ing.‹ würden dadurch ersetzt. 47 europäische Staaten sind an dem Prozess beteiligt. Darunter auch Kasachstan, Russland und Kaukasus-Republiken. Der Bologna-Prozess ist kein völkerrechtlicher Vertrag. Rechtlich ist er unverbindlich.

In Deutschland lieferte die Bologna-Erklärung den Anlass für die größte Hochschulreform der Nachkriegsgeschichte. Insbesondere bei dem Bildungsstreik 2009 wurde an dem Prozess ein übermäßiger Arbeitsaufwand für Studenten und Dozenten, übermäßige Zugangshürden für Masterstudenten und eine Ökonomisierung der Bildung kritisiert.

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