SCHWERIN. Gestern Abend lieferten sich die Kontrahenten Erwin Sellering (SPD) und Lorenz Caffier (CDU) im NDR ein TV-Duell zur Landtagswahl. Doch die Angelegenheit wurde mehr zur Kuschel-Partie – von Duell keine Spur. Daran war auch der Moderator nicht ganz unschuldig.
Eigentlich war es nicht anders zu erwarten. Beim TV-Duell des NDR mit den zwei aussichtsreichsten Kandidaten auf den Posten des Ministerpräsidenten ging es eher wie bei einem Duett zu. Klar, denn die Kontrahenten sind Kollegen in der großen Koalition aus SPD und CDU. Erwin Sellering ist Ministerpräsident, sein Gegenüber Lorenz Caffier Innenminister.
Punkt 21 Uhr, 240.000 Zuschauer im NDR: Erwin Sellering trägt eine rote Krawatte, wirkt gelassen. In Umfragen liegt der SPD-Ministerpräsident weit vorn und wird sich seinen Regierungspartner aussuchen können. Ihm Gegenüber steht Lorenz Caffier. Er ist etwas nervöser, trägt eine blau-gestreifte Krawatte.
Zu Beginn loben beide erst einmal ihre eigene Arbeit, ein schwacher Auftakt für ein Duell. »Wir haben fünf Jahre gute Politik gemacht, in der Bildung gepunktet, die Arbeitslosigkeit gesenkt«, sagt Lorenz Caffier. Sellering lächelt, wenn er Caffier lobt, sagt er »mein Minister«.
Dann eine fiese Frage: Caffier soll sagen, welche Eigenschaften ein Ministerpräsident haben muss – und welche davon Sellering fehlen. Er überlegt, weiß nicht recht, was er sagen soll. Letztendlich sagt er »Ausdauer«. Sellering geht dem Konflikt geschickter aus dem Weg, meint: »Jemandem etwas abzusprechen, finde ich nicht richtig.« Punkt für Sellering.
Der Landesvater sorgte vor kurzem für einen Eklat, als er sich weigerte, die DDR als Unrechtsstaat zu bezeichnen. Seit dem gilt der aus Westdeutschland stammende Sellering als »Ossi-Versteher«. Im TV reagiert er auf die Nachfrage des NDR-Chefredakteurs und Moderators Andreas Cichowicz gelassen. Er meint, man müsse »zwischen denen unterscheiden, die Unrecht getan haben, und denen, die im Stillen unter dem Unrecht gelitten haben.« Große Chance für Gegner Caffier, sich abzugrenzen, dort zu punkten. Doch auch er hält sich zurück, sagt nur: »Die DDR war kein Rechtsstaat.« Das Wörtchen »Unrechtsstaat« will auch er nicht aussprechen.
Auch beim Thema Wirtschaft und Arbeit herrscht erst einmal große Einigkeit. Arbeitsplätze wurden geschaffen, die Wirtschaft kommt nach der großen Werften-Pleite voran. Sellering fordert allerdings den Mindestlohn, den die CDU konsequent ablehnt. „Beim Mindestlohn ist uns die Linkspartei näher“, sagt Sellering. Gegner Caffier scheint das aufzuschrecken, er unterstreicht mit „Wer keine guten Löhne zahlt, bekommt keine guten Arbeitskräfte“ die Gemeinsamkeiten. Kurs auf eine erneute Große Koalition.
Caffier kämpft anscheinend nicht darum, Ministerpräsident zu werden, er will Regierungspartner bleiben, bietet sich Sellering schon im TV durch mangelnde Angriffslust an.
Die unter Journalisten so beliebte Koalitionsfrage: Sellering legt sich auch beim NDR nicht fest. Die SPD liegt laut infratest dimap (19. August) bei 37 Prozent. Er kann also bequem zwischen CDU (28 %) und Linke (17,5 %) wählen. Wenn die Grünen (7 %) erstmals in den Landtag einziehen und NPD (4 %) und FDP (3,5 %) rausfliegen, ginge mit knapper Mehrheit rein rechnerisch auch Rot-Grün. Caffier wird von Moderator Cichowicz gar nicht nach Koalitionspartnern gefragt. Stattdessen will er wissen, was er schon jetzt Sellering »anbieten könnte«. Offensichtlich glaubt er gar nicht an Caffiers Chancen als Ministerpräsident, also kein echtes »Duell« im TV.
Fazit: Sellering gibt sich souverän, aber auch unnahbar. Caffier punktet keinesfalls durch seine Ausstrahlung, sammelte in den vergangenen fünf Jahren als Innenminister mit Themen wie Kreisgebietsreform und Grenzkriminalität auf Usedom kaum Sympathiepunkte. Das TV-Duell war eigentlich ein Duett, ein Kuschelkurs der künftigen Koalitionspartner. Sellering ist sich seiner Überlegenheit bewusst – und der Moderator tut nichts, um das »Duell« nur ansatzweise spannend zu machen.