Flötentöne hinter Wüstendünen

Das Volkstheater führt erneut Mozarts ›Zauberflöte‹ auf, die eine der wichtigen ›deutschen Opern‹ ist. Die Inszenierung von Babette Bartz ist ein Achtungserfolg für das Theater und gleichzeitig intelligente Unterhaltung. Über die traditionell anwesenden, kleinen Baustellen lässt sich dabei durchaus hinwegsehen.

Die Zauberflöte ist ein wunderbares und märchenhaftes Stück Musiktheater. Ein Prinz, Tamino, ringt mit einer Riesenschlange. Er ist so überwältigt, dass er in Ohnmacht fällt und nicht bemerkt, wer die Schlange besiegt. Papageno tritt auf, wir sehen einen Mann im Vogelkostüm, der sich die Vögelchen fängt, wie es im gefällt. Diese beiden werden von einer geheimnisvollen Königin der Nacht auf die Suche nach ihrer entführten Tochter geschickt. Darum bringt sie Tamino dazu, sich in sie zu verlieben. Die Königin gibt den beiden eine Zauberflöte und ein Glockenspiel. Die Suche führt sie in Sarastros Reich, Ägypten. Dort müssen sie sich Prüfungen in Tempeln unterziehen, um zu beweisen, dass sie ihrer Frauen wert sind, denn auch für den vogelfreien Papageno ist mittlerweile eine Papagena gefunden.

1791 wurde die Zauberflöte in Wien uraufgeführt. Der Oper ist die Hitze ihrer Zeit deutlich herauszuhören. Es ist eine Zeit der Revolutionen, in der Stück für Stück die Monarchien demontiert und demokratische Verfassungen verabschiedet wurden. Das erste Mal gab es Menschenrechte. Eine Zeit, in welcher der Geist der Aufklärung stark war. Mozart selbst war Freimaurer. Das waren keine Verschwörer, die Logen waren nicht viel mehr als basisdemokratische Versuchsanstalten des Bürgertums, das noch nicht wusste, wie es sich verhalten durfte, weil in dem Aschehaufen der Höfe keine brauchbaren Verhaltensformen blieben. Der Zauberflöte ist dieser Einfluss der Freimaurer anzuhören: Die Tempelarbeit, die ägyptische Mythologie, die Suche nach Selbsterkenntnis, der Versuch, Natur mit Vernunft zu versöhnen, die Königliche Kunst der Weisheit, personifiziert im König Sarastro. Das ist nicht nur Oberfläche, denn vollkommen unbewusst zeigt sie damit auch auf den Überdruck in den sozialen und politischen und historischen Kesseln auf dem Fabrikgelände der Moderne. Da brodelt es gewaltig. Das muss man sich ansehen. In den sozialen Schichten, zwischen Mann und Frau. Machtgefüge werden kräftig umgekrämpelt. Weltwahrnehmungen. Hier argumentiert der ägyptische König Sarastro für ein patriarchales System, das die Frau ausschließt und für eine Rationalisierung der gesellschaftlichen Verhältnisse. Da es unsinnig wäre, auch den Sexismus des 18. Jahrhunderts ungefiltert auf die Bühne zu bringen, bringt Babette Bartz, wenn Sarastro auf dünnstem Eise seine Hymnen des Mannes singt, bereits Papagena ins Spiel, die aufbegehren will. Auch die Priester in seinem Rücken. Diese Art Kontrastierungen sind wundervoll selbstironisch. Gleichzeitig wird die Selbstironie so sensibel eingesetzt, dass sie nie albern wirkt. Nie wird der klassische Ton der Zauberflöte gefährdet. Es ist schön zu sehen, dass offensichtlich viel mit dem Stoff gearbeitet worden ist. Es finden sich keine unangenehmen Versuche, das Stück aus seiner Zeit zu reißen. Lediglich sinnvolle Kommentare und Angebote.

Das trifft vor allem auch auf das Bühnenbild zu, das Falk von Wangelin gestaltete. Es ist immer zu begrüßen, wenn mit wenigen Mitteln viel erreicht wird. Wir sehen eine gewaltige Sonnenscheibe, Wände, die wie Beton aussehen und verschoben werden, eine Menge Arbeit mit dem Licht, es sind Treppen hinter den Wänden, Luken in dem Boden. Die sehr gute Inszenierung hat es auch gar nicht nötig, sich hinter zu viel ›Zeug‹ auf der Bühne zu verstecken.

Die Kostüme haben die gleiche Tendenz. Sie finden mit den Wänden der Bühne einen sehr guten Kontrast. Schwächen findet man nur wenige. Tamino erinnert ein wenig an Rambo, wenn er das halbe Stück ein Stirnband trägt, aber wie ein Schlagersänger gestikuliert. Ansonsten ist alles ganz märchenhaft, wie es sein soll.

Insgesamt bringt die Inszenierung — natürlich — nicht viel Neues. Glücklicherweise gibt sie sich aber nicht mit üblichen Zauberflötenklischees zufrieden. Sie will nicht gigantischer erscheinen als sie ist. Hier wurde eine perfekte Mitte gefunden. Auch der musikalische Teil hat seine unüberhörbaren Stärken. Jamila Raimbekova ist eine ausgezeichnete Wahl für die Rolle der Pamina. Die Kirgisin, die an der Rostocker HMT ihr Aufbaustudium in Gesang absolvierte, ist routiniert. Sie sang die Rolle bereits 2007 mit der Nationaloper Bischkek. Ebenso glänzte die Belgierin Lisa Mostin sehr souverän und elegant in ihrem Debut als Königin der Nacht. Ganz bezaubernd ist auch die strubbelhaarige Papagena von Julia Ebert, die optisch und stimmlich gut zu Papageno passt. Nicht zu vergessen sind daneben die drei Knaben, die nicht nur im Gesang, sondern auch im Schauspiel ganz hinreißend waren. Allein das lohnt schon den Besuch der Oper. Die einzige Stimme, die merklich zu schwach die Zuschauer erreichte, war die von Mikko Järviluoto als Sarastro. Die Auftritte des Sarastro sind schlicht zu gewaltig und erfordern mehr Kraft und Ausdruck, als zu hören war.

Die Zauberflöte ist eine der meistgespielten Opern. Es existieren zahlreiche Aufnahmen von den besten Orchestern der Welt mit legendären Interpreten. Auch wenn diese sehr präsent sind, darf die Rostocker Aufführung nicht daran gemessen werden. Hier wurde ordentlich gearbeitet. Die Musik ist solide, das Stück ist witzig inszeniert und das Publikum wird nicht unterfordert, sondern nach besten Möglichkeiten klug unterhalten.

Folgeveranstaltungen

Die Zauberflöte von Wolfgang Amadeus Mozart – Eine tiefenpsychologische Opernanalyse mit PD Dr. Bernd Oberhoff
27. Januar 2011, 17:00 Uhr, HMT – Kapitelsaal

Nachgespräch zu »Die Zauberflöte« mit PD Dr. Bernd Oberhoff
28. Januar 2011, 22:30 Uhr, Großes Haus – Intendanzfoyer

Gespräch am Donnerstag zu »Die Zauberflöte«
24. März 2011, ab 19:00 Uhr, Großes Haus – Intendanzfoyer

Vorstellungen

28.01. (ausverkauft), 05.02., 05.03., 10.03., 20.03., 24.03.

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