ROSTOCK. Facebook und Twitter sind längst Pflicht, wenn es um die Außendarstellung von Hochschulen geht. An der Uni Rostock zwingen einige Studenten mit offiziell aussehenden Profilen bei Facebook & Co. die Uni zum Handeln – obwohl sie selbst, wenn auch zögerlich, schon im Web 2.0 unterwegs ist.
Im Kampf um Studenten betreten altehrwürdige Hochschulen nun auch neues Terrain. Längst finden sich auch Universitäten aus dem Mittelalter im Web wieder. Die 1419 gegründete Universität Rostock hat diese Entwicklung vor allem zu Beginn ein bisschen verschlafen. Zwar gibt es seit Juli 2009 einen eigenen YouTube-Kanal. Das einstige Lieblingsprojekt von Ex-Prorektor Andreas Karsch scheint mit 44 Uploads auch ganz aktiv zu sein. Aktivitäten in anderen sozialen Netzwerken wie Facebook, StudiVZ oder Twitter fehlen jedoch bisher.
Oder? Seit Kurzem prangen auf der Website der Uni neben YouTube auch die Logos der Netzwerke SchülerVZ, StudiVZ und Facebook. Diese Profile werden von der Bundes-Kampagne »Studieren in Fernost« beziehungsweise von deren »Campus-Spezialisten« und der Studienberatung betrieben. Bis zum 27. Juni, 12 Uhr, haben diese Facebook-Seite 117 Personen »geliket«, neue Beiträge kommen hier aber nur selten.
Bei Facebook taucht noch eine andere scheinbar offizielle Seite der Universität Rostock auf. Unter der weniger kryptisch klingenden URL www.facebook.com/unirostock werden in Abständen von meist nur wenigen Tagen Veranstaltungstipps, Links und wissenswerte Informationen gepostet. Am 17. Juni schreibt die scheinbar echte Universität Rostock beispielsweise: »Uni-Fakt des Tages: Der Haushalt der Universität Rostock belief sich im Jahr 2010 auf 140,76 Millionen Euro. Das entspricht 9.384 Euro pro Student.« Mit 120 Personen liegt diese Seite zwar nicht weit vor der anderen. Aber: Sie ist nicht echt.
Hinter diesem Web-2.0-Auftritt der Uni steckt eine Handvoll Studenten. Sie haben die Profile eingerichtet und sorgen für regelmäßige Inhalte. Es sind die gleichen, die auch für die Uni twittern. Unter www.twitter.com/unirostock werden Meldungen in 140 Zeichen in eine Welt geschickt, die die Offiziellen der Hochschule noch gar nicht für sich entdeckt hat. 63 Twitterer folgen diesen Updates. Bis jetzt.
Kein Unrechtsbewusstsein
Twittern und Facebooken im Namen der Uni. Ein ambitioniertes Studenten-Projekt auf juristisch heiklem Boden. Einer der Akteure ist Michael Schultz, Student der Politikwissenschaften. Er hat die Hintergrundgrafik für den (offiziellen) YouTube-Kanal entworfen. Er arbeitet als Layouter auch beim Studentenmagazin »Heuler« und ist Art Director beim ROSTOCKER JOURNAL sowie beim Wissensmagazin SCIENTIA. »Ich habe die Sachen eingerichtet, weil ich es absolut schade finde, dass die Uni das Web 2.0 total verschläft«, sagt Schultz. »Die Uni nutzt ihre Möglichkeiten nicht. Es gibt keine Strategie und kein Personal dafür.«
Die Kanäle sehen aus wie »echt«. Dort wird im Namen der Uni getwittert und gefacebookt. Auch um die Wette gegen die echten Profile. Doch von Unrechts-Bewusstsein ist bei dem selbst ernannten Web-2.0-Team aus der Ecke Studentenvertretung/»Heuler« nichts zu merken. »Wir wollen damit einen Startschuss für die Uni im Web 2.0 geben und damit mehr oder minder erzwingen, dass sich die Uni schellstmöglich mit diesen Themen beschäftigt. Wir treiben mit den Projekten ja kein Schindluder, sondern handeln inhaltlich im Interesse der Hochschule.« Man gebe sich ja nicht als Uni aus, sondern repräsentiere sie nur im Netz.
Uni auch offiziell im Web 2.0 unterwegs
Für die professionelle Kommunikation der Uni ist Dr. Ulrich Vetter zuständig. »Wir nutzen zurzeit vor allem Facebook und YouTube, um eigene Podcasts und unsere Campus-Spezialisten im Web 2.0 zu platzieren«, so der Pressesprecher. Man sei aber noch inmitten einer Testphase. »Es kann durchaus sein, dass wir künftig noch weitere Kanäle bespielen.«
Vetter zeigt deutlich, dass die Uni Rostock durchaus im interaktiven Internet Bescheid weiß. »Das Wesen von Web-2.0-Inhalten ist ja gerade der Dialog. Die Herausforderung besteht aber darin, in dieser offenen Form der Kommunikation trotzdem die Inhalte zu platzieren, die einem tatsächlich wichtig sind.« Das Web 2.0 sei eine offene Veranstaltung, in die man nicht einfach reglementierend eingreifen kann. Er wolle nicht verhindern, dass man über die Uni Rostock im Netz spricht. »Schließlich sind wir damit ein Thema. Wenn es allerdings so aussieht, als seien wir die Urheber dieser Accounts, dann ist es natürlich etwas anderes.«
Große Verwechslungsgefahr
Und das tut es. Die zentrale Marketing-Initiative »Studieren mit Meerwert« der Hochschulen in Mecklenburg-Vorpommern verweist via Twitter-Mitteilung auf den vermeintlich neuen Account der Uni. Selbst Vetter kommt bei der Vielzahl der Accounts mit dem Namen der Uni schon durcheinander. Die Frage ist, welcher Account hat seine Berechtigung? Und dürfen Studenten im Namen der Uni twittern und sich die Uni damit ihre Kommunikation aus der Hand nehmen lassen?
Bei Facebook liefern sich die beiden Accounts ein Kopf-an-Kopf-Rennen um Fans. Mit knapp über 100 Mitgliedern liegen beide Seiten weit hinter der Facebook-Repräsentanz der Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald mit 933, die schon länger im Web 2.0 unterwegs ist. Wie die Uni Rostock mit ihren unerwarteten Web-Helfern umgeht, wird sich zeigen. Das ZDF beauftragte übrigens damals selbsternannte Twitterer ganz offiziell, für den Sender aus Mainz zu twittern.
Matthias Bannert
Weblinks:
Offizielle Kanäle der Universität Rostock
• YouTube: www.youtube.com/unirostock
• SchülerVZ: http://www.schuelervz.net/Profile/Z1xY4nQ5si5uxb5pjHsfLPFwoxirzw2KWm4I14hcqGc
• StudiVZ: http://www.studivz.net/Profile/l4V1Zv2VpgO2I8YmKgajzemXoD3cRrarE1VY1bVYBcw/tid/102
• Facebook: http://www.facebook.com/pages/Universit%C3%A4t-Rostock/200898123255584
Inoffizielle Kanäle der Universität Rostock
• Facebook: http://www.facebook.com/unirostock
• Twitter: http://www.twitter.com/unirostock