Die Universität Rostock ist um Familienfreundlichkeit bemüht. Erst vor kurzem, am 8. September 2010 warb die Uni mit dem Aktionstag ›URgesund — nachhaltiges Gesundheitsmanagement‹ für eine familienfreundliche und gesunde Führungskultur an der Universität.
Man ist bemüht um familienfreundliche Arbeits- und Studienbedingungen für Frauen und Männer, die ein produktives Klima erzeugen und zu Bestleistungen in Studium, Arbeit und Forschung führen. Durch die Schaffung eines materiellen und kulturellen Umfeldes soll die Vereinbarkeit von Studium bzw. akademischer Karriere und Elternschaft gefördert werden.
Neben dem Kinder-, Eltern-, Spiel – und Studierzimmer (KESS), der KinderUni und flexiblen Arbeitszeiten gehören auch die kinderfreundlichen Mensen der Hansestadt zum familienfreundlichen Angebot der Universität. Kindergerecht bedeutet das Vorhandensein von Hochstühlen, Spielecken, einer Kinderspeisekarte, kindgerechtem Essen und Wickeltischen.
Der kostenlose Kinderteller
Seit dem 1. Juni 2010 gibt es — vom Studentenwerk geschenkt — einen kostenlosen Kinderteller für studentische Eltern. Gegen Vorlage eines Kinderausweises und einer gültigen Studienbescheinigung erhalten Kinder bis zum 10. Lebensjahr einen gratis Kinderteller. Den Kinderausweis kann man beim Studentenwerk Rostock, Bereich Sozialberatung, gegen Vorlage einer gültigen Studienbescheinigung und der Geburtsurkunde des Kindes beantragen.
Laut dem Geschäftsführer des Studentenwerks Herrn Dr. Dieter Stoll wird der kostenlose Kinderteller wahrgenommen, trotz der erst kurzen Dauer des Angebots. Eine erste Bilanz über den Erfolg und die Kosten des Projekts wird es aber erst frühestens in einem halben Jahr geben.
Geschenke zum Kindertag?
Das familienfreundliche Projekt ist uniintern allerdings umstritten. So hatte der StudentInnenRat (StuRa) den kostenlosen Kinderteller für studentische Eltern mehrheitlich abgelehnt. Am 09. Juni 2010 votierten 14 StuRa- Mitglieder mit 8 Nein-Stimmen, 5 Ja-Stimmen und einer Enthaltung gegen den kostenlosen Kinderteller. »Der StuRa fordert das Studentenwerk Rostock, angesichts der aktuellen Beitragserhöhung um 5 Euro auf, den Kinderteller nicht weiter zu verschenken.«
Hierbei ist allerdings zu klären, ob die Beitragserhöhung überhaupt mit dem Kinderteller in Verbindung steht. Die Liberale Hochschulgruppe (LHG) sieht einen Zusammenhang. Die Vorsitzende Claudia Ahrens schreibt, dass zu einer kinderfreundlichen Uni zwar »Betreuungsangebote wie eine Kita und auch die Möglichkeit, sein Kind kostengünstig in der Mensa zu verpflegen« dazu gehört, allerdings sei es problematisch »wenn das Studentenwerk die Beiträge erhöht und gleichzeitig Geschenke zum Kindertag verteilt«. Die Liberalen setzen sich für eine kinderfreundliche Universität ein, allerdings gehen sie davon aus, »dass Studierende mit Kind einen kleinen Betrag für das Kinderessen zahlen können.« Dieser sollte lediglich unter 1 Euro liegen. Es könne nicht sein, »dass die Studierendenschaft den kostenfreien Kinderteller tragen muss«, fordern die Liberalen.
Sie wollen daher, dass das 1-Euro-Gericht wieder eingeführt wird. Dies würde die jungen Eltern entlasten, denn »rechnerisch dürfte mit der Wiedereinführung des 1-Euro-Gerichts und der Einführung eines minimalen Preises für das Kinderessen keine finanzielle Mehrbelastung für studentische Eltern entstehen«, erklärt die LHG. Trotz allem hält die Liberale Hochschulgruppe ein »kostenfreies Kinderessen, wie es bereits andere Universitäten eingeführt haben, für erstrebenswert. Allerdings sollte dies erst eingeführt werden, wenn das Studentenwerk Rostock sich dies auch ohne Erhöhung der Beitragszahlung von Studierenden bzw. Abschaffung vom 1-Euro-Gericht leisten kann.«
Das Argument der Beitragserhöhung
Das Studentenwerk Rostock wollte sich auf der StuRa-Sitzung nicht zu der Beitragserhöhung rechtfertigen. Trotzdem ist ein Zusammenhang zwischen Beitragserhöhung und der Einführung des kostenlosen Kindertellers ungewiss.
Laut Büro des Studentenwerk-Geschäftsführers Herrn Dr. Stoll resultiert der Beschluss zur Beitragserhöhung auf dem Verwaltungsrat des Studentenwerkes.
Am 28. April 2009 beschloss der Verwaltungsrat mit 6 Ja- und 6 Nein-Stimmen die Erhöhung des Beitrages von 30 auf 45 Euro. So mussten die Studenten im darauffolgenden Semester, also dem Wintersemester 2009/10, 10 Euro mehr und im Sommersemester 2010 dann 15 Euro mehr zahlen.
Laut der Antragstellerin Petra Tröbner, die Abteilungsleiterin und stellvertretende Geschäftsführerin der Abteilung Zentrale Dienste des Studentenwerkes ist, sei die Lage der Versorgungsbetriebe der Universität der Grund für die Beitragserhöhung. Ihres Erachtens nach sind vor allem »erhöhte Preissteigerungen im Zuge der Wirtschaftskrise« und weniger Gäste in den Mensen der Hansestadt Ursachen für die schlechtere Lage. »Wenn wir jetzt nicht erhöhen, gibt es irgendwann einen großen Koller«, warnte Tröbner.
Die Erhöhung des Semesterbeitrages ist also schon im April 2009 beschlossen worden, zu einer Zeit, in der von einem kostenlosen Kinderteller nicht die Rede war. Daher ist ein Zusammenhang der Beitragserhöhung und der Einführung des geschenkten Kindertellers nicht nachweisbar.
Rückschritt statt Fortschritt?
Befürworter des kostenlosen Kindertellers, wie der Student Jan Schaffrath, der auch im StuRa sitzt und sich gegen den Beschluss ausgesprochen hat, hinterfragen dagegen die Fortschrittlichkeit und Familienfreundlichkeit der Kritiker. »Das Auftreten des Studierendenrats gegen den, vom Studentenwerk eingeführten, kostenfreien Kinderteller in der Mensa, erfüllt mich als Mitglied dieses Gremiums mit Scham«, erklärt Schaffrath, der zur Zeit seine Diplomarbeit in Erziehungswissenschaft schreibt. Mit diesem Beschluss, würde sich der StuRa »erneut offen gegen die Interessen der eh schon in mehrerlei Hinsicht benachteiligten Studierenden mit Kind« stellen.
Was aber sagen die studierenden Eltern?
Viele wissen gar nicht von der Existenz dieses Angebots. Das beklagt auch Jan Schaffrath, der wenigstens ein gutes an der Diskussion um den Kinderteller sieht: »Dieses sozialpolitisch richtige Angebot für Studierende mit Kind wird auf diesem Weg hoffentlich bekannter. Eigentlich wäre es ja die Aufgabe des AStA gewesen Plakate zu drucken. Nun machen wir halt so ›Werbung‹«.
So erging es auch der 23-jährigen Medizinstudentin Paulina Morawska, die seit dem Wintersemester 2006 in Rostock studiert. »Dass der Kinderteller kostenlos ist hab ich gar nicht gewusst, aber wenn es weiterhin so wäre, würde ich mich natürlich darüber freuen und ab und zu das Angebot nutzen«, sagt die alleinerziehende Mutter. Für Paulina und ihre zweijährige Tochter ist »die Uni Rostock gar nicht familienfreundlich, vor allem wenn es um Alleinerziehende geht und Kurse am späten Nachmittag bzw. Klausuren am Samstag« stattfinden. Da sei zumindest dieses kinderfreundliche Angebot empfehlenswert.
Die Studentin Maria wusste zwar vom kostenlosen Kinderteller, aber nicht dass der Kinderteller gestrichen werden sollte. »Ich wollte mir den Kindermensaausweis für das nächste Semester eigentlich besorgen«, sagt sie. »So ein Kinderteller kostet ja nicht die Welt, auch wenn ich jetzt schon mit 2,40 € dabei bin« und das rechnet sich eben zusammen. »Kinderfreundlich ist das wirklich nicht«, sagt die junge Mutter.
Dem stimmt auch die Studentin Sabrina Nack zu. Bisher nutzte sie das Angebot nicht, weil sie wie viele andere, nichts davon wusste. »Wenn ich davon gewusst hätte, hätte ich es garantiert auch genutzt«, erklärt Sabrina, die den StuRa-Beschluss nicht gut heißt. »Die Abschaffung des freien Kindertellers finde ich persönlich nicht gut. Es wird immer gesagt die Unis werden zunehmend ›Kinderfreundlicher‹ in Bezug auf ›Studieren mit Kindern‹. Das ist in diesem Bereich dann aber nicht zu merken«, meint sie enttäuscht. Das Angebot steht für eine familienfreundliche und fortschrittliche Atmosphäre an der Universität. »Ich finde das einfach nur schade«, sagt Sabrina, die glaubt, dass der Mehraufwand sich für das Studentenwerk auch lohnen könnte, da so »garantiert auch öfter junge Mütter« zum Essen in die Mensa kommen. Sie werde das Angebot jedenfalls nutzen, wenn es weiter bestehen bleibt. Und das wird es.
Auch Geschäftsführer Stoll findet, »dass die Leistung als eine Selbstverständlichkeit in die Landschaft einer familienfreundlichen Universität gehört«, daher wird das kostenfreie Kinderessen weiter angeboten. Zum StuRa-Beschluss wollte er keinen Kommentar geben. Herr Stoll meinte lediglich, dass das eine »Sache unter den Studenten« sei. Und so kann Jan Schaffrath nur hoffen, »dass der neue StuRa sich eindeutig für eine familienfreundliche Universität positioniert und den skandalösen Beschluss zum Kinderteller quasi als Schnee von gestern dem Archiv der Dummheiten vergangener Tage überantwortet.«
Ansprechpartner beim Studentenwerk: Anke Wichmann, St.-Georg-Straße 104-107; Tel.: 0381 459 264 0; Dienstag 9-12; 14-17 Uhr