Triumph des Provinziellen

Gunter Lampe gewinnt Publikum und Jury bei der 13. Lyrikmeisterschaft von Mecklenburg-Vorpommern

Mit der 13. Lyrikmeisterschaft von Mecklenburg-Vorpommern ist nun auch diese Veranstaltung erfolgreich im Peter-Weiß-Haus angekommen. Um alles Wunderbare vorwegzunehmen: Das Haus ist der beste Ort, welchen die Veranstaltung je hatte. Es war darüber hinaus auch wieder sehr gut besucht. 77 Stimmen gingen am Ende ein. Und der Modus der Auswahl war nie besser. Wer die Lyrikmeisterschaft  von Anfang an verfolgt hat, kennt noch die nicht enden wollenden Abende im Theater im Stadthafen, als selbst intime ›Therapietexte‹ vorgetragen wurden und solche Texte, in welchen Schicksale, Schicksalchen und psychologische Verwirrungen aufgebrüht worden sind, dass es nicht selten viel eher albern, wenn nicht traurig, als witzig war. Traurig ist es längst nicht mehr. Danke dafür! Mehr als 50 Einsendungen sind eingegangen und die Jury hat die 15 Besten ausgewählt. Von dieser Auswahl konnten 13 Personen am Freitag antreten. 4 Preise wurden vergeben. Gunter Lampe, der schon 2006 Lyrikmeister von Mecklenburg-Vorpommern wurde, gewann auch dieses Jahr den Titel, sowie den Publikumspreis. Den zweiten Platz erhielt Martin Badenhoop, Dritter wurde Eberhard Schulze, weil er unter Anderem so schöne Metaphern für die Arbeit am weiblichen Geschlechte — seinem Pfirsichsteinchen — fand. Die Gewinnertexte wird man wieder in den Rissen finden.

Die Lyrikmeisterschaft ist — das muss gesagt werden — aber immer auch ein Erfolg des Provinziellen. Das war es immer und war es auch diesmal. Die Texte sind etwas schwieriger. Rein objektiv handeln sie von der Selbstbeschau des Dichtenden, Schreibblockaden, von der Sprache als dem Werkstoff des Dichtenden, aber auch von jenen Schicksalchen, von Berichten aus fremden Lebenswelten, Texte in denen sich Germanisten outen, Infantilitäten, Reime natürlich. Technisch entdeckt man wenig Bemerkenswertes. Inhaltlich wenig Bewegendes. Mit Poetry Slams hat das nichts gemein, denn das ist eine lebendige, brodelnde Literaturszene, schon allein weil man die Arbeit bemerkt, das Handwerk, so dass man staunt. Verwechslungsgefahr war nicht einen einzigen Moment vorhanden.

Aber, und das macht den Charme ja aus, sind die Texte verlässlich, sie sind ehrlich, ungefährlich, sprachlich konservativ. Welterklärerisch auch manchmal. Doch vielleicht sind wir einfach so in Mecklenburg-Vorpommern, so geerdet wie eine Kartoffel. Vielleicht brauchen wir das auch, um uns bewusst zu machen, dass wir nicht Berlin oder Hamburg sind — und auch gar nicht sein wollen. Wir brauchen kein ›Rostock sucht den Lyrikstar‹. Man sagt uns emotionale Kälte nach, Humorlosigkeit — und übersieht gar die intellektuelle Leistung, über die omnipräsente Ironie in diesem Land nicht in Gelächter auszubrechen. Das ist grade diese Ironie, dass dieser Titel, den niemand wirklich ernst nehmen kann, vom Literaturhaus vergeben wird. So wie man auch den Moderator Bert Koß nicht ernst nehmen kann, der nicht mehr authentisch wäre mit mehr Elan, mit mehr Vorbereitung. Das meinen die alle nicht ernst! Wirklich! Die Jury nimmt ihre analytisch-kritische Aufgabe ernst. Und das ist wichtig für die Veranstaltung und ihr Selbstverständnis. Dabei waren diesmal mit Petra Porto wieder ein Vertreter des Instituts für Germanistik und für die Literaturzeitschriften im Land: Anne Blaudzun (›Risse‹) und Steffen Dürre (›Weisz auf Schwarz‹). Dazu kommt noch jemand, der die praktische Seite kennt, ein studierter Dichter: Jörg Schieke. Mehr geht nicht. Mehr geht wirklich nicht.

Die Lyrikmeisterschaft von Mecklenburg-Vorpommern unterhält auf jene ironisierende Art. Sie ist eine Nabelschau unserer Intimitäten. Nur das lässt uns manchmal schaudern. Wir denken immer: Das können wir auch. Aber wollen wir das? Die Veranstaltung wärmt uns an so einem miesen Herbstabend und bringt nicht zuletzt Menschen zusammen. Das ist eben Lyrik außerhalb von Medialitäten. Das ist Literatur, die sich wohler fühlt, wenn der Fernseher aus bleibt.

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