Wer bist Du im Netz? Soziale Netzwerke – Die neue Freiheit?

ROSTOCK. Nikolaustag, perfekt für ausgedehnte Winterspaziergänge und Weihnachtsmarktbesuche. Natürlich mussten die neusten Informationen über die besten Fahrgeschäfte mit Bild und Bewertung noch eben getwittert werden, bevor man seinen Status bei Facebook auf „Teste den wunderschönen Rostockerweihnachtsmarkt mit drei Freunden“ ändern konnte.

Andererseits konnte ein jeder seinen Wissensdurst während der im RostockerJournal angekündigten Podiumsdiskussion stillen, wo statt Bratwurst lieber Bildung konsumiert und  über viele verschiedene Themen gesprochen wurde.

Zu Beginn des Abends wurde ein satirisches Stück über die allgemeine Sensationslust, besonders auf Onlinevideoplattformen: "Egal was passiert, halt die Kamera drauf!" und die Rolle der Mediennutzer als "Medienschwämme" sehr anschaulich, lustig und erschreckend realistisch dargestellt.
Als Auftakt zum Dialog wurde ein Informationsfilm über Sponsoren und geladene Gäste gezeigt.
 

Mit dabei waren:

Thomas Ternes (Manager von der Musikerin Zoe Leela, die selbst nicht teilnehmen konnte)

Bastian Scherbeck (Geschäftsführer "We are social" – vertritt große Konzerne (zB Adidas) bei Medienfragen, Finanzierung von Werbung und hilft ihnen potenzielle Kunden u.a. über soziale Netzwerke zu erreichen)

Jonas Westphal (Netzpolitischer Sprecher SPD – überzeugt von Netzpolitik als Topthema der SPD und befasst sich u.a. mit der Frage welche Informationen ins Netz gehören zB Schulbücher angeboten als eBooks)

Gerhard Pfennig (Sprecher "Initiative Urheberrecht" – Der Nutzen von Urheberrecht? Künstler sollen von ihrer Kunst leben können)

[Stephan Thomae (Mitglied der Bundesregierung, FDP, Netzpolitik) fehlte aus Krankheitsgründen]

Sowie als Moderator: Carlo Winkler.

 

Nach einer kurzen Vorstellungsrunde konnte die Diskussion beginnen, bei der folgende Themenkomplexe erörtert wurden:

Shitstorm & Phänomen Piratenpartei

Einen sogenannten Shitstorm erlebten Zoe Leela und ihr Manager, nachdem sie eine normale Kritikäußerung getätigt hatten, alle anderen Anwesenden haben bis jetzt nichts dergleichen erleben müssen. Jedoch erklärte Herr Scherbeck, dass es sehr wohl einen Unterschied zwischen einem Cyberangriff auf Personen und einem auf Unternehmen gäbe. Dieser Unterschied liege darin, dass Personen sehr viel emotionaler reagieren würden, während Unternehmen sich strategisch verhalten und ggf. erst mal keinen Kommentar herausgeben sollten.

Die Piratenpartei gelte generell als die Partei, die über Transparenz debattiert. Während Herr Westphal darauf bestand, dass es Netzpolitik schon deutlich vor der Piratenpartei gegeben hätte, sah Herr Pfennig die antreibende Kraft vor allem bei etablierte Parteien, die sich mit netzpolitischen Fragen auseinander setzen und mehr Transparenz von den sozialen Netzwerken fordern sollten.

 

Urheberrecht, GEMA & andere Möglichkeiten

Das Urheberrecht ist für die Künstler essentiell, während die GEMA als Verwaltungsgesellschaft arbeitet. Eine benutzerfreundliche Methode, wie die CC-Lizenzen (creative common – Nutzungsrechte werden vom Autor freigestellt und beziehen sich auf verschiedene Werktypen, wie Musik, Texte etc.), sei, laut GEMA, in Deutschland nicht umsetzbar, obwohl die Arbeit laut Herrn Ternes so gut verläuft, dass sie wettbewerbsfähig sei.

Die Autoren können bei CC-Lizenzen selbst festlegen, ob und wie teuer ein bestimmtes Nutzungsrecht sein soll, diese Differenzierung wäre für die GEMA, laut GEMA, nicht möglich und daher funktioniere das System nicht. Zudem werden Diskussionen zum Urheberrecht und der GEMA zwar nicht nur in Parteien, sondern auch an Universitäten geführt, jedoch findet dadurch kein Dialog zwischen GEMA und Benutzern statt, so Herr Pfennig. Des Weiteren hat er die negative Einstellung gegenüber der GEMA aufwerten können, in dem er erklärte, dass die Musikkonzerne und nicht die GEMA die Kinder, Jugendlichen und Erwachsenen zur Kasse bitten würde, wenn diese illegale Musik gedownloadet hätten.

 

Persönlichkeitsrecht & Datenschutz

Durch die sehr lange Speicherung aller Beiträge und Daten, die in sozialen Netzwerken geschrieben werden, müssen sich die Nutzer überlegen, was sie wem schreiben und ob sie dies lieber privat als Nachricht oder für alle sichtbar und offiziell machen wollen, wobei generell zum Nachrichten schreiben tendiert werden sollte, hierbei waren sich alle Anwesenden einig.
Selbst wenn persönliche Daten in einem Facebook-Account gelöscht werden würden, blieben diese im System erhalten und der Benutzer wisse nicht, was mit seinen Daten passiere. Daher forderte Herr Westphal das "Recht auf Vergessen", bei dem der Löschvorgang der Daten absolut erfolgen muss und keine ´Hintertüren´ für ausländische Konzerne offengelassen werden sollten, die diese selbstverständlich zu ihrem Vorteil nutzen würden. Dieses Prinzip würde bei klaren Regeln gut funktionieren, jedoch gäbe es u.a. bei Facebook diese Klarheit nicht, so dass dieses Prinzip laut Herrn Scherbeck hinfällig sei. Zudem sei der lukrativste Part an Facebook der Verkauf von persönlichen Daten.

Die Persönlichkeitsrechte müssten, laut Pfennig, auch im WorldWideWeb eingehalten werden, so dass z.B, bei nicht gewünschtem Bildhochladen eine Konsequenz für den Uploader erfolgen würde, da sonst das Prinzip nicht funktioniere.

Mit Hilfe von undurchsichtigen AGBs und Nutzerbedingungen erschweren Facebook sowie weitere Social Networks das Bürgerverständnis und die Transparenz. Beides müsse jedoch, so Westphal, durch die Politik gesichert werden, des Weiteren müssen die Probleme des mangelhaften Datenschutzes und der Datenbedienung auch durch staatliche Geheimdienste gelöst werden, so dass die Benutzer wissen, was mit den eigenen Daten passiert und an wen diese gegebenenfalls verkauft werden.

 

Bürgerverhalten

Soziale Netzwerke wie Facebook werden hauptsächlich zu Kommunikationszwecken bei Herrn Ternes / Zoe Leela und den Fans benutzt. Dies ist laut Herrn Scherbeck auch der Hauptgrund um sich bei Sozialen Netzwerken kostenlos anzumelden, wobei die Datensicherheit vernachlässigt wird.

Er empfiehlt den Konzernen die eigene offizielle Fanseite bei Facebook auszuwerten, da auf diesen Seiten prozentuale Angaben der Nutzer zu Geschlecht, Land, Stadt, Alter – hier wird in sechs Kategorien unterschieden, sowie aktivste Fans gezeigt werden.

Bei dem Umgang mit dem Medium Internet, müssen die Eltern ihre Kinder begleiten und als Ratgeber fungieren, forderte Hr. Scherbeck, jedoch muss auf das amerikanische Selbstverständnis (gelockerte Benutzerrechte) von Facebook, das den Umgang mit diese Medium nicht erleichtert, ebenso eingegangen werden.

Eine Art Kinderschutz gebe es (noch) nicht, so dass die Kinder manipuliert werden könnten, bestimmte Artikel zu kaufen, da diese beispielsweise gerade in Mode kommen.

Zudem komme noch die "Illusion der Partizipation" mit der Westphal den Umgang von Facebook mit der Demokratie beschrieb, bei der es bereits Abstimmungen zur Abschaffung von Abstimmungen geben solle, wodurch Facebook zu einer demokratiefreien Zone würde.

Um diesen weiteren großen Nachteil von sozialen Netzwerken auszuschalten forderte Westphal mögliche Alternativen zu Facebook zu finden, jedoch meinte daraufhin Scherbeck, dass weitere Plattformen die gleichen bzw. bessere Möglichkeiten für die Nutzer bieten und das gesamte soziale Umfeld umziehen müsste, da sonst kein Facebook-Benutzer seinen Account löschen werde. Die Frage nach möglichen Aktionen durch die Politik zu neuen Plattformen mochte Herr Westphal nicht beantworten und verwies lediglich auf die bestehende Regierung.

Jeder Bürger müsse also die Sozialen Netzwerke unter Druck setzten, damit diese etwas an ihren Regeln ändern und diese transparenter und fairer gestalten.

Fazit
Der rege Austausch mit dem Publikum wurde durch die geringe Teilnehmerzahl verbessert, so dass die gestellten Fragen auch in größerem Ausmaß beantwortet werden konnten. Störende bzw. nicht themenbezogene Aussagen wurden zeitnah vom Moderator unterbunden, wodurch nur geringer Aufmerksamkeitsverlust beim Publikum entstand.

Komischerweise wurden spezielle Vokabeln, wie "CC-Lizenzen" nicht erklärt, dafür aber bekanntere Begriffe wie "Shitstorm" und "User". Zudem war es etwas befremdlich einen Stand der Piratenpartei im Foyer zu sehen, da diese dort Werbung für ihre Partei machten.

Alles in allem wurden viele spannende Themen erklärt und diskutiert, so dass jeder Anwesende mehrere Vor- und Nachteile bzw. Probleme von sozialen Netzwerken und dem Internet gehört hat und zum Nachdenken gebracht wurde. 

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