Bushido: Stress für Publicity – eine analytische Video-Kritik

Rapper Bushido Foto: PR / ERSGUTERJUNGE

Mein alter Kollege und Freund Olli machte mich heute auf das neue Video „Stress ohne Grund“ von Bushido und seinem Schützling Shindy („nicht die Dicke aus Marzahn“) aufmerksam. Obwohl mir eigentlich egal sein sollte, auf welchem Niveau und mit wie viel Kleingeist Herr Ferchichi auf Stern-Geschichte und Bürodurchsuchung reagiert, will mich das gehört und gesehene nicht wirklich loslassen.

Titelfoto: PR / ERSGUTERJUNGE

Eine Videokritik und Analyse von CHRISTIAN LEA

Der gut dreiminütige Clip ist schnell zusammengefasst: Bushido und Cindy fahren jeweils Benz, Cindy verstaut jemanden im Kofferraum, trifft sich mit B. auf einem Parkdeck, wo der dicke Araber aus „Zeiten ändern dich“ Cindys Fahrzeug mit Benzin übergießt und vermeintlich anzündet. Eine klassische Vendetta-Story also, die es von Kool Savas in „Das Urteil“ auch schon einmal in textlich, musikalisch und optisch anspruchsvoll gab.

Textlich geht Bushido, dem sein genialer Marketing-Berater offenbar empfohlen hat, sich einen Vollbart wachsen zu lassen, weil Deutsche vor Salafisten voll krass Angst haben, jedoch deutlich weiter als Savas. Deutlich weiter, als in Battle-Raps, die seit den 90ern durchaus ihr Zuhause im Hip Hop haben, gemeinhin üblich.

Deutlich weiter, als dass man sein bemühtes, holpriges gerhyme als “Kunst“ entschuldigen könnte. Hier einige Zitate aus dem Songtext:

„Ich mach Schlagzeilen, fick deine Partei, und Ich will, dass Serkan Tören jetzt ins Gras beißt“

„Kay (One), du Bastard, bist jetzt vogelfrei, wirst in Berlin in deinen Arsch gefickt wie Wowereit“

„Ich verkloppe blonde Opfer, so wie Olli Pocher“

„Was für Vollmacht, du Schwuchtel wirst gefoltert, ich schieß’ auf Claudia Roth, und sie kriegt Löcher wie ein Golfplatz“

Wie gesagt, das ist textlich auf Fünftklässler-Niveau und versetzt mich, allein, was die Anzahl der „verrapten Worte“ angeht zurück in die Zeit vor dem „Golden Age of Hip Hop“.

Schlimmer noch: Selbst 1980 hätte sich mit so einem desaströsen Flow niemand ans Mic getraut. Aber nun zum Inhalt.

Ich entdecke beim ersten Hören zwei Morddrohungen gegen Politiker, Hass auf Homosexuelle, einen Aufruf zur Gewalt gegen einen Musiker und die Stilisierung von Nordeuropäern zu „blonden Opfern“. Schenken wir uns den letzten Punkt, da billiger Allgemeinplatz, und schauen auf die erst genannten.

Auch die Auseinandersetzung mit Politik hat im Hip Hop Tradition. Streng genommen, war das einzige, das die Community (in den USA) über alle unterschiedlichen Strömungen hinweg bis zum Aufkommen von Gangsta Rap in den 90ern zusammengehalten hat, das Verwurzeltsein in armen Verhältnissen.

MCing, DJing, Breakdancing und Graffiti dienten als Ausdrucksmittel, um gesellschaftliche Ungerechtigkeit anzuprangern und denen, die keine Stimme haben, Gehör beziehungsweise Exposition zu verschaffen. Künstler wie Advanced ChemistryAnarchist Academy und Cora E standen in dieser Tradition und haben die (gesellschaftlichen) Wurzeln von Hip Hop in die BRD importiert.

Selbst millionenschwere Superstars wie Jay Z nutzen ihre Musik bis heute, um auf Missstände aufmerksam zu machen. Bushido indes nutzt seine Popularität und seine Musik, um seine Vermögen zu vermehren, nicht um sich eine Bühne zu schaffen auf der er möglichst vielen Menschen die Dinge zu Gehör bringen kann, die er zu sagen hat.

Er hat nichts zu sagen. Das ist die Wurzel des Problems. Er hat nichts zu sagen, obschon er als Bonner Jung‘ seiner Muttersprache durchaus mächtig ist. Er hat gelernt, zu provozieren, um aufzufallen. Er hat sich die Rüpel aus der letzten Bank zu Freunden gemacht, damit ihr böses Image ein kleines bisschen auf ihn abfärbt.

Kurz: Er und seine „arabisch-deutsche Sippe“ haben eine Stimme, da sie wie oben erwähnte Jungs von Advanced Chemistry „einen grünen Pass mit einem goldenen Adler drauf“ haben. Dennoch haben sie kein Interesse, wirklich politisch Einfluss zu nehmen oder ihren Problemen als „Heimatlose“ (hier und in den Herkunftsländern ihrer Väter), die sie dem Vernehmen nach in die Kriminalität treiben, Ausdruck zu verleihen.

Bushido (so er selbst Urheber des oben zitierten Textes ist) hat offenbar noch nicht einmal verstanden, wer die Freunde und wer die Feinde seiner multinationalen Großfamilie sind. Die arme Shindy ist übrigens in Bietigheim-Bissingen aufgewachsen – fürwahr kein Spaß.

Hier zum besseren Verständnis ein Schnelldurchlauf: Klaus Wowereit ist Mitglied der SPD und starker Befürworter einer liberalen/ aktiven Integrationspolitik. Claudia Roth ist bei den Grünen. Die wollen einfach nur, dass alle sich lieb haben und finden Multikulti per se dufte. Serkan Töran ist sogar in der Türkei geboren, nicht in Bonn oder Bietingen-Dingenskirchen und somit ein hervorragendes Beispiel für eine de facto weltoffene Gesellschaft, in der Leistung, unangepasst sein und Querdenken belohnt werden und Chancen eröffnen.

Eine Gesellschaft, die – nicht zuletzt auf Grund des Aufbegehrens der „Mütter und Väter des Deutsch-Raps“ – weitaus durchlässiger und liberaler ist, als die meisten anderen westlichen im Allgemeinen und die Gesellschaften des arabischen Sprachraums im Besonderen.

Der „Künstler“ Bushido beschmutzt dieses Erbe. Er stellt sich mit seiner Musik in die Tradition von deutsch rappenden „Dichtern und Denkern“, die Hip Hop verstanden, gelebt und somit dazu beigetragen haben, diese Gesellschaft im Sinne derer, für die sie Sprachrohr waren, zu verändern.

„Wealth is of the heart and mind, not the pocket“, schrieb Pharrell Williams gerade erst auf Facebook.

Der Autor Chris Lea mit einem Rapper von Weltrang: Snoop Dogg. Foto: PRIVAT

Der Autor Chris Lea mit einem Rapper von Weltrang: Snoop Dogg. Foto: PRIVAT

Bushido ist arm. Bushido fährt Mercedes. Die Onkelz fahren Ferrari. Hass mag Geld hervorbringen, aber Hass macht nicht reich. Weder den Prediger, noch die Gemeinde.

Auch Faschismus und Antisemitismus hat in der Rap-Musik eine traurige Tradition. Nichtsdestotrotz hatten/haben Äußerungen von Professor Griff einen völlig anderen (intellektuellen) Hintergrund und eine andere Intention, als die beleidigt kindischen Äußerungen eines Bonner Mittelstandsjungen.

SPÄTESTENS MIT DIESEM SONG GIBT SICH BUSHIDO ALS PROTOTYP EINES FASCHISTEN ZU ERKENNEN

Schwulenfeindlichkeit gehört offenbar inzwischen zum guten Ton, wenn man als Angehöriger einer unteren Bildungsschicht gelten möchte – Hetze gegen Liberale, Sozialdemokraten und Sozialisten von dieser Qualität kenne ich in Deutschland nur aus dem Geschichtsunterricht.

Wer einen Lebensentwurf aus den 1930er-Jahren zelebriert, kommt offenbar um die dazugehörige Propaganda nicht herum. Ob die (frühen) Onkelz, Störkraft und Bushido wirklich in eine Schublade gehören? Ja, tun sie. Und sie würden sich prächtig verstehen. Sie alle haben das System Musikindustrie ausgenutzt (und tun es noch), um sich durch das Verbreiten von Hass zu bereichern. Sie alle kannten keinen Nächsten außer sich selbst. Triebfeder war der eigene Kontostand, allein die Opfer hatten unterschiedliche Haarfarben.

Freie Meinungsäußerung ist einer der Grundpfeiler unserer Demokratie. Doch dieser Pfeiler trägt nicht alles. Er trägt Kritik, er trägt Provokation, er trägt manchmal Dummheit, aber er trägt schon lange keine Menschen verachtenden Mittelstandskids mehr, die in Wien malen oder in Berlin „Elektronik verticken so wie Media Markt“.

Inzwischen wurde das Video von Youtube entfernt, da es gegen die Konzernrichtlinie zum Verbot von „Hassrede“ verstößt. Ich finde das gut. Ich finde es gut, dass Meinungsfreiheit in Deutschland ihre Grenzen in §5 (2) findet. Nämlich an den „Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre“. Dass Jugendliche vor Hasspredigern wie Bushido geschützt werden müssen, steht meines Erachstens außer Frage.

Dem Thema „persönliche Ehre“ möchte ich im Pseudo-Gangster-Kontext gern mit einem deutschen Sprichwort begegnen, das hier passender ist, denn je: „Wer sich der Schande rühmt, ist der Ehre nicht wert.“

Botschaftslos, heimatlos, ehrlos. Ich erinnere mich in diesem Zusammenhang gern an mein kurzes Zusammentreffen mit Bushido auf einer Schickmicki-Charity-Party im Hotel Kitzhof Weißer Hirsch in Kitzbühel im Jahr 2010. Herr Ferchichi hatte laut Presse gerade furchtbar „beef“ mit Sido und kam gegen 2 Uhr auf der Party an. Mit Sido. Zusammen. In aller Freundschaft. Walter Matthau und Jack Lemon in Armeejacken. Süß. Ich fragte ihn, ob ich von dieser skurrilen Situation ein Foto machen dürfte. Er verneinte und sagte, er sei ja privat da und wolle nachher noch kurz die Heidi abschleppen. Am nächsten Morgen saß die gesamte Bagage inklusive Sido und der DSDS-Spidermankostüm-Flachzange, deren Namen ich vergessen habe, fröhlich vereint auf der Alm und aß Schnitzel. Bushido tauschte mit der schwer begeisterten Akkordeon spielenden Wirtin CDs aus. Niedlich.

Bushido hat seine „arabisch-deutsche Sippe“. Wir haben eine funktionierende Gesellschaft. Oder, um es mit den Worten von Thomas D. zu sagen: „Ich hab Millionen Legionen hinter mir.“

P.S.: Sollte es nicht gelingen, das Kind mit einem weiteren Integrationspreis oder einem Bravo-Oscar zu besänftigen, plädiere ich für Ausweisung – nach Bonn.

P.P.S: Jetzt noch ein Song von CURSE, einem, der nach wie vor weiß, worum es geht. Bushido: Die Samen, die du säst werden aufgehen.

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5 Comments

  1. Jens

    15. Juli 2013 um 14:42

    Und trotzdem hat sein Video innerhalb von 48Std mehr als 1 Milel erreicht. ICh find das Video auch wirklich schwach vom TExt mag ich gar nicht reden, aber „HEY Leute“ das ist NUR MUSIK! Chillt mal ein wenig 🙂

  2. john

    16. Juli 2013 um 10:49

    Wieder mal ein Paradebeispiel für schlechten Journalismus. Zum Einen die Onkelz und Bushido (nein, ich mag ihn nicht) mit Störtkraft in einen Topf zu werfen und zum anderen „Sie alle haben das System Musikindustrie ausgenutzt (und tun es noch), um sich durch das Verbreiten von Hass zu bereichern. “ Öhm, wo genau? Weder die Onkelz noch Störkraft gibt es noch. Und wo bitte, haben die Onkelz Hass verbreitet? 😀 Und kommen Sie mir nicht mit dem Lied, das jemand mit 16 geschrieben (übrigens als Punks) und noch nicht mal veröffentlicht hat…

  3. ludwig

    17. Juli 2013 um 03:08

    genau so wie geschrieben siehts aus. und nicht anders. der würde auch antisemitisch „rappen“, wenn er nicht wüsste, dass er dafür in den knast geht. mit der palistina karte ohne israel hat er ja den beweis gebracht.

  4. john

    17. Juli 2013 um 09:46

    @Ludwig: Sie wissen aber schon, dass die ganze Geschichte reine PR ist? Und die dummen deutschen Medien fallen mal wieder (auch wegen des Sommerlochs) darauf rein…

  5. Pingback: Opa Kurt: Bushido, Wowis Partys und japanische Kultur | Rostocker Journal

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