INNENSTADT. Gestern zwischen 15 und 16.30 Uhr fand ein Smart Mob statt, bei welchem in der Rostocker Innenstadt zwischen Rathaus und Universitätsplatz etwa 100 Personen gegen die Schließung des Großen Hauses demonstrierten. Dass es Demonstrationen um diese Entwicklungen geben würde, war anzunehmen. Denn zu viele Menschen sind davon direkt betroffen und auf viel Verständnis stieß die Entscheidung nicht, die am 22. Februar im Rathaus bekannt gegeben wurde. Das liegt insbesondere an der fehlenden Transparenz dieser Entscheidung, die mit einem aktuellen Brandgutachten zum Gebäude begründet wurde, das angeblich eklatante Mängel aufweist, welche im letzten Jahr und dem Jahr davor offensichtlich nicht diese Bedeutung hatten oder aber noch nicht vorhanden waren.
Unter anderem über soziale Netzwerke wurde zu einem Smart Mob aufgerufen. Im Gegensatz zum Begriff ›Flash Mob‹ soll dieser Mob eher eine Sinnhaftigkeit beinhalten, also smart sein, klug. Das Ziel dieses Mobs war es ein Zeichen zu setzen, dass man mit der Entscheidung uneins ist und kein Verständnis zeigt. Schon zuvor wurde ein offener Brief verschickt, welcher die Position der Angestellten des Volkstheaters darlegte. Und auch weitere Protestveranstaltungen sollen angeblich folgen.
Auch wenn der Protest viel Herz hat und eine sehr sympathische Form, entsteht doch der Eindruck, dass er noch zu halbherzig ist. Jemand sagte, die Demonstration sollte jeden Sonnabend um 3 stattfinden. Das wäre zu begrüßen. Denn die Vergesslichkeit der Menschen ist groß. Der Protest ist kreativ in der Form, wie er sich äußert, bleibt allerdings auch naiv im Bezug auf seine politische Wirksamkeit. Denn es ist höchst unwahrscheinlich, dass solch ein Zeichen die politischen Entscheidungen beeinflusst. Auch wurden wichtige Kanäle nicht genutzt, um Menschen zu mobilisieren. Beispielsweise der Mailverteiler der Universität. Das Motto des Smart Mobs war ›Macht es auf‹ … das Große Haus. Diese Forderung wird das Brandgutachten weder umschreiben, noch die Mängel beheben und Intendant und Geschäftsführer Peter Leonard auch nicht davon befreien, persönlich zu haften, wenn wirklich etwas geschehen sollte.
Aufgrund dessen braucht es auch eine breite öffentliche Debatte. Solche schönen Protestformen sind genau das Richtige, solch einen Diskurs zu flankieren. Eine Diskussionsrunde, zu welcher Personen aus zum Beispiel Politik, Kultur, Wirtschaft mit durchaus verschiedenen und konkurrierenden Ansichten geladen sind, um zu verschiedenen Schwerpunkten zu debattieren. Zu Fragen wie: Wer braucht ein Theater? Was sind die Vor- und Nachteile der Theater GmbH? Wie viele Sparten brauchen wir? Was macht das Theater in Rostock falsch und richtig? Brauchen wir eine Koop mit Schwerin? Welche anhaltenden Konsequenzen werden welche Entscheidungen haben? Wie realistisch ist ein Theaterneubau? Wie soll dieses Ziel am klügsten umgesetzt werden? Wie relevant ist das Theater wirklich für den Tourismus? Welches sind die Hintergründe des Brandschutzproblems? Wie lösen andere Theater in Deutschland ihre Probleme? Wie sind die finanziellen Aussichten? Sollten Kinder, Arbeitslose und Studenten kostenlos ins Theater? Das Theater könnte diese breite, generelle Debatte als Video auf ihre Seite laden, so dass sie Nachhaltigkeit erzeugt. Erst, wenn Menschen über viele Informationen verfügen, aufgeklärt sind, können sie diese Informationen zu einer komplexen Meinung kombinieren, können sie selbst am Diskurs teilhaben, sind unanfällig für politische Floskeln und vor allem bereit, sich zu engagieren. Das scheint vielleicht übertrieben, denn es geht ja ›nur‹ um die Schließung einer Spielstätte. Doch der Kontext ist in diesem Fall ein ganz anderer. Er reicht bis in finanzpolitische Entscheidungen des Bundes. Er betrifft die Planung eines Neubaus. Wer wird darüber entscheiden, wie dieser Bau aussieht, wo er steht, was er kostet, wer das finanziert? Theater gehören neben Fußballstadien zu unseren letzen großen repräsentativen Bauten. Der momentane Eindruck ist eher profan. Jetzt werden die Weichen gestellt, wie die Theaterlandschaft in 20 Jahren in Rostock aussehen wird. Werden wir damit glücklich sein? Die Menschen können an diesem Prozess nur teilhaben, wenn sie informiert sind, ansonsten wird es im Rathaus entschieden. Ohne die Menschen, die das betrifft.
Es ist prinzipiell begrüßenswert, wenn sich Protest formiert. Doch Protest allein schafft nur eine Wirkung geringer Halbwertzeit. Der Protest muss nachhaltiger werden, wenn er erfolgreich sein will. Ein Zeichen setzen ist gut, wenn dieses Zeichen auf etwas weist. Natürlich ist das mit viel Arbeit und Mühe verbunden. Auch weil etwas nachgeholt werden muss, was lange offenbar nicht geschah: politisch denken und handeln. Das gilt insbesondere für Kulturschaffende. Kreise wie die Freunde und Förderer des Volkstheaters sind hier an vorderster Front vor allen anderen in der Verpflichtung, das mit den Verantwortlichen des Volkstheater jetzt umzusetzen. Denn bereits jetzt werden Entscheidungen getroffen.
Dabei sollte immer bedacht werden: Das Theater ist in dieser Zwangslage nicht hilflos! Ganz im Gegenteil, es steht im öffentlichen Interesse, es muss gar nicht groß um Aufmerksamkeit ringen. Allein die Idee eines Theaterneubaus schwankt so hübsch zwischen Popularität und Populismus. Menschen sind mit der jetzigen Situation zusätzlich vor den Kopf geschlagen. Es gibt offensichtlich kreative Menschen im Theater, welche sich engagieren wollen. Dieses Potential muss jetzt genutzt werden. Diese Kreativität muss jetzt auch bei der Beantwortung der politischen Fragen aufgewandt werden.