Das Volkstheater Rostock führte am Samstag erstmals Adams Äpfel auf. Das Stück ist die Theateradaption eines Kinofilm, der 2006 in Deutschland lief. Der Film des dänischen Regisseurs Anders Thomas Jensen (Dänische Delikatessen, In China essen sie Hunde) feierte insbesondere auf Filmfestivals respektable Erfolge. Die Bühnenfassung stammt von K. D. Schmidt, derzeit Hausregisseur am Staatstheater Oldenburg.
In dieser geschieht ziemlich genau das, was auch im Film geschieht: Adam, Anführer einer Neonazi-Gruppe kommt zur Resozialisierung in eine Wohngemeinschaft in der dänischen Idylle mit Kirche und Garten. Es stellt sich heraus, dass von allen Charakteren er derjenige ist mit den geringsten psychischen Problemen, selbst die Wut, die Adam gegenüber Personen und Situationen hat, ist nachvollziehbar. Doch die absurde Aufgabe, einen Apfelkuchen mit den Äpfeln aus dem Garten zu backen, ändert alles.
Zwangsläufig muss sich das Theater den Vergleich mit dem Film gefallen lassen. Und es schneidet dabei nicht besonders gut ab: Wie schon der Film fragt das Stück nicht nach den Ursachen, die dazu führen, dass jemand eher Gewaltstrategien zur Lösung von Konflikten nutzt und warum jemand fremdenfeindlich ist. Insbesondere nicht die intimen Gründe. Das ist im Film unproblematisch. Er steckt verschiedene Personen in einen Mikrokosmos und beobachtet in ernsten Nahaufnahmen die Absurdität des Verhaltens. Grade weil in dem Film keine Kasper auftreten und die Geschichte mit viel Sensibilität erzählt wird, bekommt er seinen Humor. Weil der Film keine Satire ist, sondern bewusst eine Groteske, kommen Humor und Inhalt sehr gut miteinander aus. Weil in dem Stück aber der Neonazi ein anderes Gewicht bekommt, weil der Witz zu brachial herausgefordert wird, wird das Stück viel zu oberflächlich. Bis hin zu lächerlich, wenn die Vögel, die sich über den Apfelbaum hermachen, genutzt werden, um das Wort ›Vögeln‹ zu betonen, obwohl es gar nicht ums Ficken geht, damit man erwachsene Menschen im Publikum dazu bringt, zu lachen, als wären sie zwölf. In diesem banalisierten Kontext scheint es dann so, als hätten Menschen nur darum radikale politische Vorstellungen, weil sie nicht nachdenken würden oder ihnen langweilig ist. Darum reicht es auch, dass erzählt wird, dass ein Neonazi seine Naziklamotten ausziehen würde, wenn seine Vorurteile durch Begegnung behandelt würden und der Gruppenzwang durch Entfernung aus der Gruppe.
Zudem wird es peinlich, wenn die Übertreibungen zu einem Verlust an Authentizität führen. Wenn die Neonazis sich mit ›Heil‹ begrüßen oder mit ›Endsieg‹ verabschieden. An solchen Stellen macht sich das Stück einfach nur lustig. Das ist infantil, mehr nicht. Zu undifferenziert wird der gesamte Katalog an Zeichen abgerufen, um die Ressentiments der Zuschauer möglichst vollständig beisammen zu haben, um sie zu bestätigen, angefangen beim ›Sieg Heil‹ mit dem gehobenen Arm bis zu den schwarzen Stiefeln mit den weißen Senkeln. Natürlich werden im Theater Zeichen konkreter aufgeführt, das ist man gewohnt, das muss auch so sein, aber die Kombination und Auswahl von Zeichen ist genauso wichtig, sonst erhält man die Karikatur eines Charakters, der nicht mehr vollständig glaubwürdig ist. Das geht so nur im Kabarett. Man muss darum festhalten: diese Geschichte muss mit mehr Sensibilität erzählt werden. Solange die Unähnlichkeiten in der Übertreibung bestehen, gehört der Filmstoff nicht auf die Theaterbühne.
Leider ist die Besetzung auch nicht ganz optimal. Stephan Fiedler spielt den Pfarrer Ivan zu affektiert. Das beeinflusst sehr die Stimmung des Stücks. Man kann auch die Tragik in dieser Person nicht wirklich nachempfinden. Auch Peer Roggendorf als Gunnar und Sonja Hilberger als Sarah blieben grau. Nichtsdestotrotz hatte die Aufführung ihre Höhepunkte. Großartig waren Michael Ruchter, der den arabischen Tankstellenräuber Khalid spielte und auch die Hauptfigur Adam, gespielt von Paul Walther. Daneben beeindruckten vor allem Dirk Donat als der ehemalige KZ-Aufseher Poul und Undine Cornelius als die Ärztin Kolberg, die zumindest ein Gefühl vermittelten, wie die Inszenierung hätte sein können.
Die Bühne war nicht überladen. Sie funktionierte sehr gut mit ihren Klappen und ihren Reduzierungen. Allerdings wollte man hier auch zu viel. Es war an sich keine schlechte Idee, die Bühne am Ende dekonstruktivistisch von den Figuren demontieren zu lassen, aber hier wurde nicht konkret genug eine Bedeutung generiert und es zog sich dafür auch etwas zu lange hin.
Nicht zuletzt muss auch einmal speziell erwähnt werden, dass die Begleithefte ganz wundervoll sind. Darin werden Hintergründe erklärt, die Illustrationen sind sehr hübsch und in dem Heft zu Adams Äpfel findet man auch ein Rezept für einen großen Apfelkuchen. Nehmen Sie immer eins mit, sehen Sie immer hinein.